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NGO Koalition fordert Bundesregierung auf, den EU Vorschlag zur Definition von Hormongiften abzulehnen

NGO Koalition fordert Bundesregierung auf, den EU Vorschlag zur Definition von Hormongiften abzulehnen

Hormongifte in Deutschland

Die Allianz „EDC Free Europe“, auf deutscher Ebene getragen von den Nichtregierungsorganisationen PAN Germany, BUND, WECF, Umweltinstitut München, Coordination gegen Bayer-Gefahren, SumOfUs und HEJSupport, fordert die Bundesregierung auf auch diesen Kommissionsentwurf abzulehnen und ihn in der kommenden Sitzung des ständigen Ausschusses NICHT zu unterstützen.

Dazu hat das deutsche NGO Bündnis heute einen offenen Brief an die Bundesminister Barbara Hendricks (BMUB), Christian Schmidt (BMEL) und Hermann Gröhe (BMG) veröffentlicht.

Verbändebrief an BMEL

Verbändebrief an BMG

Verbändebrief an BMUB

Folgende Punkte sind aus unserer Sicht besonders zu kritisieren:

Die Beweislast ist unrealistisch hoch: Es ist aus wissenschaftlicher und regulatorischer Sicht kaum möglich, in einer angemessen Zeitspanne eine Beweisführung, wie in den Entwürfen gefordert, vorzunehmen und einen kausalen Zusammenhang zwischen der Wirkungsweise eines ED und daraus resultierender Gesundheitsschäden nachzuweisen. Mit ihrem Vorschlag hält sich die Kommission hier, entgegen ihrer eigenen Aussage, nicht an die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wonach ein endokriner Disruptor „ein… Stoff oder Gemisch“ ist, „welcher/es die Funktion eines Hormonsystems ändert und… nachteilige Gesundheitsauswirkungen… hat“. Die Beweisführung für eine Stoffidentifizierung muss im regulativen Kontext machbar sein, ansonsten bleibt der gesamte Rechtsakt ein Papiertiger. Wir empfehlen daher Änderungen des Entwurfs wie in der aktuellen PAN Europe Stellungnahme detailliert dargelegt.i

Die horizontale Ausrichtung fehlt: Erneut hat es die EU-Kommission versäumt, ihre Vorschläge an bestehende politisch vereinbarte EU-Ziele anzupassen. Das 7. Umweltaktionsprogramm enthält die eindeutig formulierte Vorgabe, horizontal anwendbare Kriterien zur Identifizierung von hormonschädlichen Substanzen zu entwickeln.ii Diese Vorgaben wurden zuletzt am 19. Dezember 2016 vom Ministerrat bestätigt. Der Kommissionsvorschlag ist demgegenüber streng sektorenspezifisch auf das Pestizid- und das Biozidrecht ausgerichtet. Eine Anpassung an andere EU-Legislativen als Voraussetzung für einen effektiven Schutz für Mensch und Umwelt rückt damit in weite Ferne. Ebenso mangelt es an Kohärenz zu anderen regulativen Regelungen der Gefahrenkennzeichnung nach Maßgaben des „weight of evidence“ wie in der CLP-Verordnung und dem GHS (vgl. Offenen Brief von Green 10 und EDC Free Europe an die EU-Kommission vom 14. Februar 2017iii).

Es mangelt an wissenschaftlichen Grundlagen und Transparenz: Das Mandat der EU-Kommission beschränkt sich auf die Festlegung wissenschaftlicher Identifizierungskriterien für EDs. Mit einer neuen Ausnahmeklausel sollen jedoch ganze Wirkstoffgruppen von Pestiziden und Bioziden mit beabsichtigter hormonschädigender Wirkung aus diesem Identifizierungsprozess herausgenommen werden, obwohl sie sog. Nichtzielorganismen desselben taxonomischen Stammes schädigen können. Die EU-Kommission liefert für diese Ausnahmeklausel keine wissenschaftlich fundierte Begründung, obgleich diese gegen Zielsetzungen und Struktur der Verordnungstexte verstößt, die keine speziellen Ausnahmen auf Ebene der Stoffidentifizierung vorsehen.

Wir empfehlen deshalb, diesen Passus ganz zu streichen. Sollte sich dafür keine qualifizierte Mehrheit finden, müssen noch zusätzliche Einschränkungen erfolgen, insbesondere bzgl. Persistenz, Wirkspezifität und der Toxizität für Nichtzielorganismen, auch und insbesondere, um die Mehrfachbelastung durch ED-Gemische auszuschließen, deren negative Auswirkungen bei der klassischen Risikobewertung von Einzelstoffen unberücksichtigt bleiben.

Änderungen der Rückausnahmen der Pestizid-VO überschreiten Mandat: Der überarbeitete Kommissionsentwurf hält nach wie vor an Textänderungen des Anhangs II der Pestizid-Verordnung 1107/2009/EG fest, die zu einer grundlegenden Abänderung des von Ministerrat, EU-Parlament und EU-Kommission im Rahmen des Mitentscheidungs-Verfahrens vereinbarten Risikomanagements bei identifizierten ED-Pestiziden führt. Die Änderung der Ausnahmeregelung von „vernachlässigbarer Exposition“ zu „vernachlässigbarem Risiko“ würde völlig neue Verfahrenselemente in die Gesetzgebung einbringen. Faktisch werden die Zulassungsbedingungen für ED-Pestizide aufgeweicht, anstatt diese als solche zu identifizieren. Auch wenn die EU-Kommission diese Änderungsvorschläge für eine Abstimmung im Ständigen Ausschuss vom Kriterienentwurf abgekoppelt hat, bleibt die Problematik der Überschreitung der rechtlichen Kompetenzen durch die EU-Kommission bestehen (vgl. Positionspapier von PAN Europe, Feb. 2017). Entsprechende Änderungsvorschläge sind daher abzulehnen.

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Written by olgaalex

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