Hormongifte gefährden Umwelt und Gesundheit – Bundesregierung muss sich stärker gegen ihre Verwendung einsetzen

 

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Die Abstimmung über Kriterien zur Identifizierung von hormonschädlichen Chemikalien (endokrine Disruptoren, EDs) wurde wegen anhaltender Unstimmigkeiten unter den EU-Mitgliedsstaaten erneut vertagt. Wieder konnte im zuständigen Fachausschuss am 18. Mai 2017 keine Einigung über den bereits mehrfach überarbeiteten Vorschlag der EU-Kommission erzielt werden. Die nächste Sitzung ist für den 30. Mai 2017 anberaumt. Nahezu ein Jahr ist seit der Vorlage des ersten Entwurfes im Juni 2016 vergangen. Mit jeder Verzögerung werden Mensch und Umwelt weiterhin unnötigen Risiken durch Hormongifte ausgesetzt.

Die deutschen Nichtregierungsorganisationen BUND, Coordination gegen Bayer Gefahren, HEJSupport, PAN Germany, SumOfUs, Umweltinstitut München und WECF fordern die Bundesregierung deshalb auf, sich klar für eine rasche und deutliche Nachbesserung des Entwurfes im Sinne des Umwelt- und Gesundheitsschutzes einzusetzen und jede weitere Verzögerung des politischen Entscheidungsprozesses zu verhindern. Deutschlands Stimme hat ein besonderes Gewicht, da es der bevölkerungsreichste Staat in der EU ist und für die Annahme eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist.

Die genannten Umweltverbände haben gemeinsam mit zahlreichen anderen Organisationen der EDC Free Europe Allianz wiederholt kritisiert, dass der bestehende Kommissionsvorschlag eine unrealistisch hohe Beweislast erfordert (1), welche die Identifizierung von Substanzen mit hormonschädlichen Eigenschaften sehr schwierig macht und deshalb lediglich eine sehr eingeschränkte gesetzliche Regulierung dieser gefährlichen Stoffe zur Folge hätte. Darüber hinaus wurde u.a. von der deutschen Bundesregierung eine Ausnahmeregelung vorgeschlagen, wonach bestimmte, speziell als hormonschädigende Wirkstoffe entwickelte Pestizide und Biozide, nicht als Hormongifte eingestuft und nicht reguliert werden sollen. Dieses Schlupfloch stellt den Schutzanspruch der Gesetzgebung auf den Kopf. Die Umweltverbände warnen zudem davor, den Vorschlägen der Industrie zu folgen und eine risikobasierte Ausnahme in der Pestizidverordnung zu verankern. Diese führe zu einer Fortsetzung der Belastung von Mensch und Umwelt durch giftige Gemische von hormonschädlichen Pestiziden. Nur beim letzten Punkt hat sich die Bundesregierung bislang eindeutig gegen die Abschwächung der Schutzstandards ausgesprochen. Aus Sicht der Umweltverbände ist das positiv, aber bei weitem nicht ausreichend.

Die Umweltverbände fordern: „Wir erwarten, dass sich die Bundesregierung konsequent dafür einsetzt, die Ziele der zugrundeliegenden EU-Verordnungen umzusetzen. Dies bedeutet, dass alle Substanzen mit endokrin schädlichen Eigenschaften ohne Ausnahmen auch als solche identifiziert werden, und dass die Beweislast auf ein normales Maß gesenkt wird, um dem gesetzlich verankerten Vorsorgeprinzip zu entsprechen.“

Der Vorschlag für Kriterien zur Identifizierung von Hormongiften vom Juni 2016 war bereits mit drei Jahren Verspätung vorgelegt worden, erst nachdem ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs der offensichtlichen Verzögerungstaktik der EU-Kommission Einhalt geboten hatte. (2) Ein Jahr und fünf Überarbeitungen später, sorgt der Vorschlag der Kommission noch immer für heftige Kritik und Kontroversen unter den Mitgliedsstaaten. (3)

WissenschaftlerInnen, Organisationen der Zivilgesellschaft und gemeinnützige Krankenversicherungen haben immer wieder auf eine zügige Festlegung von wissenschaftlich fundierten Identifizierungskriterien gedrängt. (4) In der Zwischenzeit haben 359.000 EU-Bürger und Bürgerinnen sowie über 104.000 deutsche Bürgerinnen und Bürger Petitionen unterzeichnet, die die EU Kommission und die deutsche Bundesregierung auffordern, Hormongifte zu stoppen. (5)

Versagt die Politik beim Schutz vor Hormongiften, werden hormonbedingte Erkrankungen weiter zunehmen und viele Menschen unnötig leiden müssen. Auch der finanzielle Druck auf die Gesundheitssysteme durch Krankheiten, die in Verbindung mit Hormongiften stehen, wird dann weiterhin sehr hoch sein. Nach vorsichtigen Schätzungen belaufen sich deren Kosten in der EU auf rund 163 Milliarden Euro pro Jahr. (6) In Sachen Hormongifte führt die EU ihr eigenes Motto der „Besseren Regulierung“ ad absurdum. (7)

BUND, WECF, HEJSupport, PAN Germany, SumOfUs, Umweltinstitut München und CBG fordern deshalb, den Vorschlag der Kommission so nachzubessern, dass die Belastung durch Hormongifte schnell reduziert werden kann. Nur so ist ein effektiver Schutz von Gesundheit und Umwelt zu gewährleisten. Deutschland kommt als einem der größten Chemiestandorte dabei besondere Verantwortung zu.

Hintergrundinformationen
1. Siehe:
Stellungnahme EDC-Free Coalition: Stellungnahme EDC-Free Coalition http://www.edc-free-europe.org/further-delay-on-flawed-edc-criteria-maintains-unnecessary-risks-on-human-health-and-the-environment/
Stellungnahme deutsche NGO Koalition: http://hej-support.org/ngo-bundnis-veroffentlich-gemeinsame-stellungnahme-zu-edcs/

Offener Brief an BMEL, BMG und BMUB : http://hej-support.org/ngo-koalition-fordert-bundesregierung-die-kriterienvorschlage-der-eu-kommission-zur-definition-von-hormongiften-abzulehnen/

2. Siehe:
http://www.edc-free-europe.org/act-on-edcs-edc-free-europe-calls-on-environment-ministers/
http://www.env-health.org/news/latest-news/article/commission-breached-eu-law-by

3. Siehe
http://www.edc-free-europe.org/european-commission-is-unable-to-turn-the-page-on-endocrine-disruptors-edcs/
4. Siehe zum Beispiel:
http://www.edc-free-europe.org/edc-free-europe-urges-eu-ministers-to-reject-edc-criteria-proposal/
https://t.co/Xklkh0KosN
https://www.endocrine.org/news-room/current-press-releases/european-commissions-revised-proposal-limits-ability-to-protect-public-from-edcs
http://aim-mutual.org/press-release/aim-publishes-declaration-on-edcs/

Einige EU Mitgliedsstaaten, wie z.B. Frankreich, Schweden oder Dänemark haben ebenfalls die in den Kommissionsentwürfen vorgeschlagene hohe Beweislast kritisiert. Sie betonen zudem, dass die Kriterien auch auf andere EU Gesetzgebung anwendbar sein sollen und nicht auf die Regulierung von hormonschädlichen Bioziden und Pestiziden beschränkt sein sollte.

5. EU-weite Petition : https://actions.sumofus.org/a/eu-endocrine-disruptors
Gemeinsame Petition „Hormongifte stoppen!“ der deutschen NGO Koalition:
Umweltinstitut München: https://www.umweltinstitut.org/mitmach-aktionen/hormongifte-stoppen.html
BUND: https://aktion.bund.net/hormongifte-stoppen

SumOfUs: https://actions.sumofus.org/a/hormongifte-stoppen

6. Belastung durch Krankheiten und Gesundheitskosten bei Exposition gegenüber Hormongiften in 
 der EU: aktualisierte Analyse: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27003928

6. Siehe: http://www.edc-free-europe.org/call-to-implement-better-regulation-principles-in-eu-action-on-endocrine-disrupting-chemicals/ 


Kontakte:
Susanne Smolka (PAN Germany): susanne.smolka@pan-germany.org, Tel +49(0)40 3991910-24
Johanna Hausmann (WECF Deutschland): johanna.hausmann@wecf.eu, Tel 0173 8010040 
Alexandra Caterbow (HEJSupport): alexandra.caterbow@hej-support.org, Tel +49 179 5244994
Manuel Fernandez (BUND): Manuel.Fernandez@bund.net. Tel 030 27586-463
Christine Vogt (Umweltinstitut München): cv@umweltinstitut.org Tel 089 30774924
Wiebke Schröder (SumOfUs): wiebke@sumofus.org, Tel 0163 1617155

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