Am 13.3. wird im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages die lang erwartete Mitteilung der EU Kommission zum Umgang mit hormonschädlichen Stoffen diskutiert. Zu diesem Anlass haben die deutschen Umwelt- Gesundheits- und Frauenorganisationen PAN Germany, WECF e.V., HEJ Support, BUND, CHEM Trust, Umweltinstitut München und der Ökologische Ärztebund eine Stellungnahme an die Ausschussmitglieder eingereicht. Darin fordern sie einen nationalen Aktionsplan zum Schutz vor EDCs. EDCs oder auch Hormongifte sind in vielen Produkten enthalten, mit denen wir uns täglich umgeben. Wissenschaftliche Untersuchungen bringen die Exposition gegenüber diesen Stoffen in Zusammenhang mit der Entstehung und Zunahme von Erkrankungen wie Diabetes, Hoden- und Brustkrebs, beeinträchtigter Fertilität oder Lern- und Verhaltensstörungen bei Kindern. Die WHO spricht von einer „globalen Bedrohung“ der Gesundheit und illustrierte in einem umfassenden Bericht bereits 2012, warum Schwangere, Babys und kleine Kinder besonders geschützt werden müssen.
Stellungnahme
Berlin, Hamburg, München, den 07.03.2019
Stellungnahme deutscher Umwelt-, Gesundheits- und Frauenorganisationen an den Umweltausschuss des Deutschen Bundestages zur Debatte am 13.3.2019 zum Kommunikationspapier der
EU Kommission “Towards a comprehensive EU framework on endocrine disruptors”
Im November 2018 veröffentlichte die EU-Kommission ein lang erwartetes Papier (1) zum Umgang mit hormonell schädlichen Stoffen, den sog. endokrinen Disruptoren (endocrine disrupting chemicals, EDCs). Leider sind die darin beschriebenen Maßnahmen aus unserer Sicht nicht geeignet, den effektiven Schutz von Mensch und Umwelt vor EDCs zu gewährleisten. (2)
Im Wesentlichen fehlen in dem Kommunikationspapier ganz konkrete Maßnahmen, um die Belastung durch EDCs entscheidend zu verringern. EDCs oder auch Hormongifte sind in vielen Produkten enthalten, mit denen wir uns täglich umgeben. Wissenschaftliche Untersuchungen bringen diese Stoffe in Zusammenhang mit der Entstehung und Zunahme von Erkrankungen wie Diabetes, Hoden- und Brustkrebs, beeinträchtigter Fertilität oder Lern- und Verhaltensstörungen bei Kindern. (3)
EDCs finden sich z.B. als Pestizidrückstände in Lebensmitteln, in Haushaltsinsektiziden, in biozidbehandelten Gegenständen oder als Bestandteil in Kosmetik- und Hygieneartikeln, in (Plastik)Spielzeug und in anderen Kunststoffprodukten wie Lebensmittelverpackungen, die massenhaft produziert und genutzt werden.
Gelangen EDCs in den Körper, können sie insbesondere in kritischen Entwicklungsphasen das Hormonsystem stören und Fehl-Entwicklungen anstoßen, die im Verlauf des späteren Lebens zu Krankheiten führen können. Die WHO spricht in diesem Zusammenhang von einer „globalen Bedrohung“ der Gesundheit und illustrierte in einem umfassenden Bericht bereits 2012, warum Schwangere, Babys und kleine Kinder besonders geschützt werden müssen. (4)
Anstelle eines konkreten Aktionsplans schlägt die EU Kommission in ihrem Kommunikationspapier einen zusätzlichen Fitness Check5 bestehender EU-Gesetze vor. Dadurch verzögern sich erneut konkrete Maßnahmen für einen besseren Schutz vor diesen Stoffen. Zudem gibt es keine Pläne, den sogenannten Cocktail-Effekt in bestehende EU- Regulierungen zu integrieren. Diese gegenwärtig übliche Einzelstoffbetrachtung unterschätzt systematisch die Gefährlichkeit durch die gleichzeitige Exposition mehrerer ähnlich wirkender Substanzen. In der Realität sind Mensch und Umwelt aber immer einer Vielzahl verschiedener Schadstoffe ausgesetzt. Obgleich dieses Defizit der EU-Kommission bekannt ist, macht das Kommunikationspaper keine Vorschläge, diesen sogenannten Cocktail-Effekt in bestehende EU-Regulierungen zu integrieren.
Das Kommunikationspapier der Kommission ignoriert die Dringlichkeit der Forderungen von Umweltverbänden, Gesundheitsexperten und einer Vielzahl von Wissenschaftlern wie die der Endocrine Society (6) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (7), die seit Jahren und wiederholt eine strenge Regulierung für EDCs und mehr Aufklärung fordern.
Die EU-Kommission fordert in ihrem Papier die Mitgliedsstaaten auf, nationale Aufklärungskampagnen zu starten. Damit ist die Bundesregierung dringend aufgerufen, einen nationalen Aktionsplan zum Schutz vor EDCs zu entwickeln, wozu auch gehört, die Industrie zu verpflichten, umfassende Prüfdaten für ihre Chemikalien zu liefern, die zu großen Teilen noch immer sehr lückenhaft sind. (8) Dies fordern seit Jahren auch deutsche Umweltorganisationen (9), unterstützt von 150.000 Bürgerinnen und Bürgern in einer Petition (10) an die Umwelt-, Landwirtschafts- und Gesundheitsministerien. Bis heute gibt es hierzu jedoch keine Initiative seitens der Bundesregierung.
Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf, einen ambitionierten und konkreten EDC- Aktionsplan im Rahmen des im Koalitionsvertrag vereinbarten ressortübergreifenden Aktionsprogramm „Umwelt und Gesundheit“ aufzustellen.
Im Anhang zu dieser Stellungnahme finden Sie einen Forderungskatalog mit wichtigen Elementen für einen solchen EDC-Aktionsplan.
Kontakt
Susanne Smolka, PAN Germany, susanne.smolka@pan-germany.org, 040 3991910-24
Johanna Hausmann, WECF, johanna.hausmann@wecf.org, 0173 8010040
Alexandra Caterbow, HEJSupport, alexandra.caterbow@hej-support.org, 0179 5244994
Manuel Fernandez, BUND, Manuel.Fernandez@bund.net, 0151 19336210
Dr. Ninja Reineke, CHEM Trust, ninja.reineke@chemtrust.org, 0170 683541
Christine Vogt, Umweltinstitut München, cv@umweltinstitut.org, 089 307749-24
Erik Petersen, Ökologischer Ärztebund, oekologischer.aerztebund@t-online.de, 0421 49842 51
Weitere Informationen zu den Organisationen:
http://www.hej-support.org
www.pan-germany.org
www.wecf.eu
www.bund.net
www.chemtrust.org
www.umweltinstitut.org
www.oekologischer-aerztebund.de
(1) http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-6287_en.htm
(2) https://www.chemtrust.org/eu-edc-strategy
(3) Gore AC, Chappell VA, Fenton SE, Flaws JA, Nadal A, Prins GS, et al. 2015. EDC-2: The Endocrine Society’s Second Scientific Statement on Endocrine-Disrupting Chemicals. Endocr. Rev. 36:E1–E150; doi:10.1210/er.2015-1010
(4) WHO (2012): State of the Science of Endocrine Disrupting Chemicals 2012 – Summary for Decision- Makers: https://www.who.int/ceh/publications/endocrine/en/ https://www.who.int/ceh/publications/endocrine/en/
(5) “Fitness checks” sind umfangreiche Evaluierungen, die analysieren, ob Regulierungen für einen bestimmten politischen Bereich ihren Zweck erfüllen. http://ec.europa.eu/smart-regu…
(6) https://www.endocrine.org/topics/edc
(7) https://www.endokrinologie.net/pressemitteilung/schutz-vor-schaedlichen-umwelthormonen.php
(8) http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/eu-chemiebehoerde-fordert-mehr-transparenz-von- der-industrie-a-1255847.html
(9) Acht Forderungen der EDC-free Coalition an eine EU EDC Strategie: https://hej- support.org/europaische-ngos-fordern-eine-europaische-edc-strategie/
Gemeinsame Stellungnahme deutscher NGOs zum EU Entwurf zu EDC-Identifikation in Pestiziden: https://hej-support.org/kein-schutz-vor-umwelthormonen-nach-der-entscheidung-ist-vor-der- entscheidung/
10 EU-weite Petition: https://actions.sumofus.org/a/eu-endocrine-disruptors
Gemeinsame Petition „Hormongifte stoppen!“ der deutschen NGO Koalition:
Umweltinstitut München: https://www.umweltinstitut.org/mitmach-aktionen/hormongifte- stoppen.html
BUND: https://aktion.bund.net/hormongifte-stoppen
SumOfUs: https://actions.sumofus.org/a/hormongifte-stoppen
(7) https://www.endokrinologie.net/pressemitteilung/schutz-vor-schaedlichen-umwelthormonen.php
(8) http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/eu-chemiebehoerde-fordert-mehr-transparenz-von- der-industrie-a-1255847.html
(9) Acht Forderungen der EDC-free Coalition an eine EU EDC Strategie: https://hej- support.org/europaische-ngos-fordern-eine-europaische-edc-strategie/
Gemeinsame Stellungnahme deutscher NGOs zum EU Entwurf zu EDC-Identifikation in Pestiziden: https://hej-support.org/kein-schutz-vor-umwelthormonen-nach-der-entscheidung-ist-vor-der- entscheidung/
10 EU-weite Petition: https://actions.sumofus.org/a/eu-endocrine-disruptors
Gemeinsame Petition „Hormongifte stoppen!“ der deutschen NGO Koalition:
Umweltinstitut München: https://www.umweltinstitut.org/mitmach-aktionen/hormongifte- stoppen.html
BUND: https://aktion.bund.net/hormongifte-stoppen
SumOfUs: https://actions.sumofus.org/a/hormongifte-stoppen